Carsten Kammlott im Trikot von RB Leipzig

"In Leipzig gerätst du nicht in Vergessenheit" | Carsten Kammlott im Interview

Unser ehemaliger Stürmer Carsten "Chipi" Kammlott blickt auf seine Zeit bei den Roten Bullen zurück

"Chipi", erstmal alles Gute zu deinem 34. Geburtstag! Du bist 2010 im Alter von 20 Jahren nach Leipzig gekommen, hast bei uns 97 Pflichtspiele bestritten und standest beim Wunder von Lotte auf dem Platz. Was geht dir durch den Kopf, wenn du an Leipzig denkst?

  • "Vielen Dank für die Glückwünsche! 

    Leipzig war wohl eine meiner prägendsten Stationen als Profi. Wenn ich an die damaligen Erlebnisse zurückdenke, fallen mir so viele einzigartige Geschichten ein. Sportlich lief es nicht immer so, wie ich es mir vorgestellt habe. Doch was ich persönlich und menschlich in all den Jahren lernen durfte, hat mich bis heute nachhaltig geprägt.

    Ich habe meine damalige Heimat Erfurt im jungen Alter verlassen, wenngleich Thüringen nicht allzu weit entfernt von Leipzig ist. Dennoch kam ich in eine neue Stadt, in eine neue Umgebung, lernte neue Menschen und Ansprüche kennen. 

    Speziell an die sportliche Infrastruktur in Leipzig musste ich mich im positiven Sinne gewöhnen. Auf welchem Niveau sich der Verein bereits in den Kinderschuhen bewegte, war für mich als junger "Dachs" sehr eindrücklich."
     
Als Jungspund führte der Weg von Carsten Kammlott von Rot-Weiß Erfurt nach Leipzig.

Anlässlich des zehnjährigen Lotte-Jubiläums wurde die Aufstiegsmannschaft ja zum Champions League-Spiel gegen Belgrad eingeladen und auf den Platz geholt. Wie war der Abend für dich? Habt ihr nochmal gemeinsam in Erinnerungen geschwelgt?

  • "Ich muss RB Leipzig wirklich ein großes Kompliment aussprechen. Trotz all der Jahre, die mittlerweile vergangen sind, gerätst du bei den Roten Bullen nie in Vergessenheit. Wir wurden bereits zum ersten Champions-League-Spiel der Vereinsgeschichte eingeladen. Diese Geste hat mir schon damals imponiert.

    Nach zehn Jahren Lotte wieder mit der alten Truppe zusammenzukommen, an gemeinsame Zeiten zu erinnern, hat mich sehr berührt – das war einmalig. Man sagt ja immer: Im Fußball findet man nicht viele Freundschaften. Der Satz galt für uns damals nicht. Wir haben heute noch eine WhatsApp-Gruppe, in der wir regelmäßig miteinander schreiben. Es macht immer wieder Spaß, nach Leipzig zukommen und die Jungs zu treffen."
     
Die Helden von Lotte stehen auch heute noch eng miteinander in Kontakt.
Wir waren einfache, unkomplizierte Typen.
Carsten Kammlott über die damalige Mannschaft

Was hat euch damals zusammengeschweißt? Und wer ist denn Mitglied eurer berühmten WhatsApp-Gruppe?

  • "Als wir die Regionalliga-Meisterschaft holten, verloren wir in der gesamten Saison nicht eine einzige Partie. Keiner von uns kannte eine solche Konstellation, doch das setzte ungeahnte Kräfte frei. 

    Wir haben Woche für Woche zusammengehalten, waren einfache, unkomplizierte Typen. Es hat sowohl menschlich als auch infrastrukturell alles für uns gepasst. Unter der Woche sind wir auch das ein oder andere mal Feiern gegangen. Solche Abende schweißen natürlich auch zusammen. (lacht) 

    Fast die ganze alte Garde ist in der Gruppe vertreten: von Alexander Zorniger über "Domme" Kaiser, Christian Müller, Umut Kocin, Matthias Morys, Daniel Frahn bis zu Sebastian Heidinger, Henrik Ernst und Niklas Hoheneder. Man gratuliert sich zum Geburtstag oder verabredet sich miteinander. Diese Gemeinschaft fetzt schon." 
     
Beim Champions-League-Spiel gegen Belgrad wurden die Helden von Lotte im Stadion geehrt.
Wenn das schief geht, können wir uns eine Pfeife anbrennen.
Carsten Kammlott über einen Banensplit vor Halberstadt

Was fällt dir denn zum Stichwort Bananensplit und Heimspiel gegen Halberstadt 2011 ein? Klär unsere Fans mal auf.

  • "Wir sind damals unter Chefcoach Peter Pacult vor jedem Heimspiel ins Hotel gegangen. Nach dem Abendbrot trafen wir uns meist zu einer Runde Poker auf dem Hotelzimmer. Als es an besagtem Wochenende etwas später wurde, haben wir ein kleines Hüngerchen verspürt. Darauf hin bestellten wir ein paar Kleinigkeiten in der Küche – u.a. Banensplits. 

    Wenige Augenblicke später klopfte es an der Tür, ich schaute durch den Spion. Plötzlich stand da Tom Stone, unserer damaliger Co-Trainer. Wir machten die Tür auf, über dem Essen funkelte ein kleines Feuerwerk. Tom stellte die Gerichte ab, wir schauten uns verdutzt an und er verlies nichtssagend das Zimmer.

    15 Minuten später klopfte es erneut an der Tür: Peter Pacult. Er setzte sich zehn Minuten, eine gefühlte Ewigkeit, in unser Zimmer, gab kein Wort von sich und schaute ein etwas grimmig drein. Da wussten wir: Wenn das morgen gegen Halberstadt schief geht, können wir uns eine Pfeife anbrennen. 

    Am Spieltag kam es natürlich genau so, wie es kommen musste: Halberstadt ging in der 2. Halbzeit mit 2:0 in Führung. Uns schlotterten etwas die Knie, es war bereits die 80. Minute, doch glücklicherweise konnten wir noch mit 3:2 gewinnen. Da ist uns ein Stein vom Herzen gefallen. (lacht)"
     
Carsten Kammlott und Peter Pacult verbindet eine ganz besondere Geschichte.

Du kennst den Verein noch aus Regionalliga-Zeiten. Heute wird in Leipzig Königsklasse gespielt. Wie bewertest du die Entwicklung der Roten Bullen in den vergangenen Jahren?

  • "Bereits während meines Wechsels im Jahr 2010 bestand die Vision, in naher Zukunft Bundesliga zu spielen. Gewiss hat es etwas länger gedauert, als ursprünglich geplant, doch blicke ich heute nach Leipzig und sehe, wo der Verein steht, ist das fast schon märchenhaft.

    Für die Region in und um Leipzig war es das Beste, was passieren konnte. Endlich wieder einen Klub im Fußball-Oberhaus zu haben, kurze Weg aus den umliegenden Bundesländern zu großen Spielen, das ist viel wert. Dortmund, Manchester City, Real Madrid, der FC Bayern – alle fahren sie hierher." 
     

Die RBL Legenden!

Kommen wir zur Gegenwart: Was sagst du zum bisherigen Saisonverlauf von RB Leipzig? Verfolgst du noch ab und zu noch unsere Spiele?

  • "Ich bin immer noch sportbegeistert, sitze regelmäßig mit meinem fünfjährigen Sohn auf der Couch und schaue die Partien von RB. Wenn ich gefragt werde, für welchen Verein mein Herz schlägt, kann ich das gar nicht so genau beantworten. Mir ist es wichtig, dass die Mannschaft attraktiven Fußball spielt. Da gehört Leipzig definitiv dazu. 

    Die gegenwärtige Saison ist von einigen Höhen und Tiefen gekennzeichnet. Wenn die Roten Bullen in diesem Jahr etwas mehr Konstanz gewonnen hätten, würden sie einige Tabellenplätze weiteroben stehen. Klar, das Spielen um die Meisterschaft gegen diese Leverkusener-Mannschaft wäre schwer geworden, doch bei dem attraktiven Fußball, die sie spielen, müssten sie sicher auf einen Champions-League-Platz stehen." 
     
Heute spielt Carsten Kammlott noch in Bad Frankenhausen, zeitgleich ist er als Ortsteilbürgermeister in Nausitz tätig.

Nach deiner Zeit in Leipzig bist du zurück zu Rot-Weiß Erfurt gewechselt. Heute spielst du noch in Bad Frankenhausen, deiner Geburtsstadt in Thüringen. Wie lange willst du die Fußballschuhe am Wochenende noch anziehen? 

  • "Solange ich noch Freude am Spiel habe, werde ich auf dem Platz stehen. Dass ich am Ende meiner Karriere nochmal in meiner Heimat spiele, damit habe ich nicht gerechnet. Zur Zeit stehen wir ganz oben, haben eine tolle Truppe. Ich bin gespannt, was wir in den kommenden Jahren noch erreichen können."

 

Seit 2022 bist du auch Ortschaftsbürgermeister in deiner Heimat Nausitz. Wie gefällt dir die Arbeit und mit was für Themen beschäftigst du dich?

  • "Das war eine ganz kuriose Geschichte. Ich habe eine Umschulung zum Verwaltungsfachangestellten gemacht und während meiner Prüfungszeit ist die Kandidatur des amtierenden Ortschaftsbürgermeisters ausgelaufen. Darauf hin traten einige Leute auf mich zu und fragten, ob ich nicht Lust hätte, das Amt zu begleiten. 

    Zum damaligen Zeitpunkt gab es keinen weiteren Bewerber, plötzlich fand sich doch jemand und es ging in die Stichwahl. Diese konnte ich dann für mich entscheiden. Ich versuche, das Leben auf dem Dorf wieder ein bisschen auf Vordermann zu bringen. Das treibt mich an und macht zugleich auch richtig Spaß."

 

"Chipi", vielen Dank für das tolle Gespräch und hoffentlich bis bald mal in Leipzig!
 

Auch heute ist der Thüringer noch nah an an den Fans.

RBL-Leistungsdaten

  • Spielzeit:
    01. Juli 2010 bis 16. Januar 2014
     
  • Spiele: 
    97
     
  • Tore: 
    12
     
  • Vorlagen: 
    14
     
  • Erfolge:
    Landespokalsieger Sachsen 2010/11 | 2012/2013
    Meister Regionalliga-Nordost 2012/2013
     
  • Aktueller Verein:
    SV Blau-Weiß Bad Frankenhausen
     
Carsten Kammlott absolvierte 97 Pflichtspiele im Dress der Roten Bullen.

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