Jenny Hipp: Über die USA nach Leipzig
Die RBL-Mittelfeldspielerin hat einen interessanten Werdegang | Verletzungspech zu Saisonbeginn | Die gebürtige Hessin hat mit der Frauen-Mannschaft viel vor und hoch gesteckte Ziele
Geduld und Optimismus sind die Eigenschaften, die sich Jenny Hipp derzeit selbst verordnet. Denn die 23-jährige Hessin kann den RBL-Frauen momentan nicht so helfen wie gewünscht. Gleich bei ihrem Debüt, im Testspiel in der Red Bull Arena, zog sie sich eine Gehirnerschütterung zu und kämpft seitdem mit muskulären Problemen im Nacken und an der Halswirbelsäule.
„Jeder Tag ohne Training ist ein verlorener Tag“, findet sie und hofft, dank physiotherapeutischer Behandlung bald wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen zu können.
ZUR TEAMSEITE
In einer Patchwork-Familie mit elf Geschwistern aufgewachsen, eiferte Jenny früh den älteren Brüdern nach und spielte schon im Kindergarten Fußball. Mit sechs Jahren trat sie dem FSV Frankfurt bei und landete bei den Jungs im Tor. „Ich wollte damals fliegen“, meint sie sich lachend. „Ich hatte einfach Spaß daran, mich nach dem Ball zu werfen und am Boden herumzurollen.“ Durch die Fußballschule des FFC Frankfurt kam sie aber schnell in eine Mädchenmannschaft. Dort waren ihre Fähigkeiten mit dem Fuß so geschätzt, dass der Ausflug ins Tor schnell beendet war.
UNSERE RBL-FRAUEN AUF FACEBOOK
Da das Niveau im Nachwuchs nach dem Weggang der FFC-Ikone Monika Staab aus Jennys Sicht nachließ, liebäugelte sie mit 14 Jahren sogar mit dem Aufhören, ließ sich dann aber vom Vater für ein Probetraining bei Turbine Potsdam gewinnen. Mit der U17 der Brandenburgerinnen gewann sie nicht nur die Deutsche Meisterschaft, sondern durfte bereits als B-Juniorin mit dem Erstliga-Kader trainieren. „Ich habe da unheimlich viel gelernt. Aber das Pensum war noch zu hoch für meinen Körper“, erinnert sie sich an einige Verletzungsprobleme. In Potsdam gelang auch der Sprung ins Jugend-Nationalteam. Sie absolvierte 13 Jugend-Länderspiele und nahm an der U17-Europameisterschaft in Island teil.
Jeder Tag ohne Training ist ein verlorener Tag
Ich bin ehrgeizig, aber auch selbstkritisch. Ich weiß, dass es noch dauert, bis ich auf das Niveau komme, wo ich hinmöchte.
Einen großen Einschnitt brachte der Schulabschluss im Sommer 2017. „Ich wollte mich noch nicht auf ein Studium festlegen, außerdem hatte mich Amerika schon immer gereizt“, begründet Jenny ihre Entscheidung für die USA. In Amherst (Massachusetts), an einer Universität mit über 20.000 Studenten, erprobte sie sich ein Jahr lang in verschiedenen Fächern, ehe sie sich für ein Soziologiestudium entschied. Fußball konnte sie dort ebenfalls spielen. „Die Bedingungen waren top, aber es war eine ganz andere Art Fußball: Weniger taktisch und viel physischer als bei uns.“
In Folge der Corona-Krise wurden alle ausländischen Studenten im März 2020 zur Ausreise aufgefordert und Jenny kam für einige Monate bei Carl Zeiss Jena unter. Im Januar dieses Jahres kehrte sie aber noch einmal für fünf Monate nach Amherst zurück. „Es war mir unheimlich wichtig, das Kapitel USA richtig abzuschließen. Die Zeit dort hat mich als Mensch sehr geprägt und ich habe viel gelernt.“
Andererseits lockte auch die alte Heimat. „Ich habe mich doch nach Deutschland gesehnt. Nach einer Zeit in der Fremde weiß man wieder zu schätzen, was man Zuhause hat“, so Jenny. Der Schwerpunkt sollte auch wieder mehr auf dem Fußball liegen. Erster Ansprechpartner war zunächst Jena, aber die Gespräche zogen sich längere Zeit hin. Als feststand, dass Jena doch anderweitig plante, lief bei allen Vereinen längst die Vorbereitung - auch bei RB Leipzig. Trotzdem fand sich noch ein Platz im Kader.
„Ich bin total dankbar, hier zu sein. Wir haben ein professionelles Team, Leipzig ist eine schöne Stadt - es hat einfach alles gepasst.“ An RBL schätzt sie, „dass nicht nur für eine Saison geplant, sondern kontinuierlich aufgebaut wird. Der Verein hinterfragt sich ständig, was man verbessern kann.“
Eine Entwicklung, die sie gerne begleiten und selbst durchlaufen möchte: „Ich bin ehrgeizig, aber auch selbstkritisch. Ich weiß, dass es noch dauert, bis ich auf das Niveau komme, wo ich hinmöchte.“
Ich will mit RBL aufsteigen und mich in der 1. Liga festsetzen
Nach dem in den USA erworbenen Bachelor-Abschluss will Jenny im kommenden halben Jahr den Fokus ganz auf den Fußball legen, ehe sie vermutlich ihren Master in Soziologie in Angriff nehmen wird. „Ich will Menschen helfen und sehe mich später auf jeden Fall im sozialen Bereich, vielleicht in der Arbeit mit Kindern oder Flüchtlingen“, so ihre Berufsvorstellung. Zunächst aber haben sportliche Ziele Priorität: „Ich will mit RBL aufsteigen und mich in der 1. Liga festsetzen.
Ich glaube an die Mannschaft und traue uns viel zu. Wichtig ist, dass wir uns nicht verrückt machen, wenn zwischendurch mal ein Spiel verloren geht.“ Geduld und Optimismus sollen sich auch hier bewähren.