Medina Dešić: „Ich wollte weiter nach oben“
Die Montenegrinerin absolvierte bereits 53 Partien in der 2. Bundesliga | Mit der Nationalmannschaft gelingt ihr in der WM-Qualifikation Historisches | Mit 28 Jahren ist sie die erfahrenste Spielerin im Team der Frauen
Der Besuch eines Länderspiels im Sommer 2019 machte Medina Dešić zur Nationalspielerin. Die Mannschaft von Montenegro verlor zwar in Kassel mit 0:10 gegen das deutsche Team, gewann aber eine Spielerin hinzu. Beim Smalltalk mit der Mannschaftskapitänin nach dem Spiel stellte Medina fest, dass ihr Name und ihre montenegrinischen Wurzeln durchaus bekannt waren. Da sie in Deutschland geboren ist, nahm man beim Verband Montenegros jedoch zu Unrecht an, dass sie die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt.
Nachdem der Irrtum aufgeklärt war, durfte sie ein Probetraining bestreiten. Mittlerweile ist sie Stammspielerin und hat sieben Länderspiele absolviert. In der aktuell laufenden WM-Qualifikation sind Dänemark und Russland zu stark, dahinter jedoch belegt Montenegro derzeit Platz drei in der sechs Teams umfassenden Gruppe. Nachdem man zuvor noch nie in einer Qualifikation punkten konnte, sind die bisher erzielten sechs Zähler schon jetzt historisch für das kleine Land, das nur rund 25.000 Einwohner mehr aufweist als Leipzig und einen Liga-Spielbetrieb für Frauen mit gerade einmal vier Mannschaften besitzt.
Zum Fußball kam Medina durch ihren fünf Jahre älteren Bruder, den sie regelmäßig begleitete. Oft durfte die deutlich Jüngere nicht mitspielen. „Aber zum Ball holen hat es gereicht“, erinnert sie sich schmunzelnd. „Und ich war seitdem auf den Fußballplatz fixiert.“ Auf dem Bolzplatz wurde sie von einer Trainerin entdeckt und trat dadurch mit fünf Jahren dem SV Dertingen bei, wo sie viele Jahre lang als einziges Mädchen bei den Jungs mitspielte.
Von dem kleinen Weinort in der Main-Tauber-Region wechselte sie schließlich in die Frauen-Mannschaft der benachbarten Kreisstadt Wertheim. Mit der Mannschaft schaffte sie es bis in die Oberliga, doch mehr schien mit dem Klub nicht drin zu sein. „Ich wollte weiter nach oben“, begründet sie den Wechsel ins 30 Kilometer entfernte Würzburg. Hier absolvierte sie 53 Zweitliga-Spiele, machte alle Höhe und Tiefen mit. Dem Abstieg aus der 2. Liga im Jahr 2016 folgte zwei Jahre später gar der Sturz in die Bayernliga. Dafür gelang dann postwendend mit zwei Aufstiegen in Serie der erneute Durchmarsch zurück in die 2. Bundesliga.
Allerdings war die Rückkehr in die zweithöchste Spielklasse nur von kurzer Dauer. Zwar erzielte Medina acht der 19 Tore ihrer Mannschaft und war erfolgreichste Torschützin, konnte den direkten Wiederabstieg im Sommer 2021 damit aber nicht verhindern. Auf den erneuten Gang in die Regionalliga hatte sie keine Lust und ergriff stattdessen die Chance, den Fokus bei RBL noch stärker auf den Fußball zu richten.
Während sie in Würzburg nach erfolgreicher Ausbildung zur Industriekauffrau zuletzt als Logistik-Projektleiterin in Vollzeit gearbeitet hatte, wird sie nun in Leipzig durch einen Halbtagsjob zusätzliche Kapazitäten für den Sport gewinnen. „RBL steht voll hinter diesem Modell und hat auch bei der Jobsuche geholfen“, freut sie sich. „Der Klub will oben mitspielen, am liebsten aufsteigen. Das sind auch meine Visionen. Die Akademie und der große Trainerstab waren weitere Pluspunkte“, begründet sie ihre Entscheidung für die Messestadt.
Wir trainieren hart und wollen gemeinsam oben angreifen
Ihren Einstand hatte sich Medina allerdings „ein bisschen anders vorgestellt“. Sie kam bereits gesundheitlich angeschlagen in Leipzig an, da sie ihre zweite Corona-Impfung nicht gut vertragen hatte. Gerade wiederhergestellt, zog sie sich auf einer Länderspielreise eine Bronchitis zu und fiel erneut aus. Zuletzt blieb sie beim Spiel in Bocholt im Rasen hängen und erlitt eine Bänderdehnung. Über fünf Kurzeinsätze kam sie daher in dieser Saison bislang nicht hinaus.
Die zwei spielfreien Wochenenden zuletzt waren deshalb hilfreich, um wieder in Form zu kommen. „Ich hoffe, dass ich der Mannschaft mit meiner Routine viel geben kann“, sagt sie. „Ich möchte die Mädels motivieren, aber auch Ruhe ins Spiel bringen, wenn es mal nicht rund läuft.“ In der Tat verfügt die 28-Jährige über die größte Erfahrung im Team, ist sie doch drei Jahre älter als die Zweitälteste im Kader. „Ich wurde im Training auch schon „Omi“ gerufen“, verrät sie, nimmt dies den Mitspielerinnen aber nicht krumm: „Ich wurde supergut aufgenommen im Team. Die Stimmung ist klasse. Wir trainieren hart und wollen gemeinsam oben angreifen.“