Klub-Portrait Young Boys Bern: Dominator aus der Schweiz
Sturz in die Zweitklassigkeit um die Jahrtausendwende | Unter Hütter und Seoane zurück an die Spitze | 2023: Drittes Double aus Meisterschaft und Pokal
„Grüessech!"
Mit den Young Boys Bern trifft RB Leipzig am 19. September am 1. Spieltag der Champions League-Gruppenphase auf das aktuell dominierende Team in der Schweiz. In der vergangenen Spielzeit gewann der Verein unter Trainer Raphael Wicky zum insgesamt 16. Mal die Meisterschaft. Zusätzlich holten die Gelb-Schwarzen auch noch zum achten Mal den Schweizer Cup nach Bern.
Mit dem dritten Double-Sieg seiner Historie und dem zweiten nach 2020 untermauerte der Club die aktuelle Vormachtstellung im Schweizer Fußball. Alleine in den vergangenen sechs Spielzeiten gewannen die Young Boys fünfmal die nationale Liga.
Doch die weniger erfolgreichen Zeiten liegen noch gar nicht lange zurück. Denn so richtig aufwärts ging es nach langer Durstsrecke erst wieder seit 2018. Zwei bekannte Namen auf der Bundesliga-Trainerbank spielten dabei die Hauptrolle.
Vor dem Duell mit RB Leipzig bringen wir euch den 125 Jahre alten Verein etwas näher.
Der City-Guide: Bern
Eine ereignisreiche Vergangenheit
Die Anfangsjahre
Vorweg: Während in der Schweiz meistens vom BSC Young Boys oder vom BSC YB die Rede ist, spricht man im Ausland oft von den Young Boys Bern. Offiziell heißt der Verein Berner Sport Club Young Boys.
Am 14. März 1898 wurde der Verein von vier Gymnasiasten unter dem Namen FC Young Boys gegründet. Die vier Jugendlichen waren damals von einem Fußballspiel zwischen dem FC Bern und den Old Boys Basel so beeindruckt, dass sie in Anlehnung an den damals populären Basler Verein den Beinamen „Young Boys“ hinzufügten und die gelb-schwarzen Trikotfarben übernahmen.
Zwei Jahre später erfolgte die Aufnahme in die Schweizerische Fußball-Association, wodurch auch Meisterschaftsspiele möglich wurden. Bis 1911 standen bereits vier Meistertitel und 1925 erfolgte der Umzug ins Stadion Wankdorf. Außerdem wurde der Vereinsname in BSC Young Boys geändert.
Sturz in die Zweitklassigkeit
Die folgenden Jahrzehnte waren gekennzeichnet von kleineren Aufs und Abs, von weiteren nationalen Titeln und Teilnahmen am Europacup. 1958/59 ging es bis ins Halbfinale des Europapokals der Landesmeister, 1987/88 ins Viertelfinale des Europapokals der Pokalsieger.
Ab Mitte der Neunzigerjahre führte der Weg aber für einige Zeit bergab. Bern stieg 1997 erstmals seit der Saison 1946/47 in die zweitklassige Nationalliga B, die heutige Challenge League, ab. Nach dem sofortigen Wiederaufstieg führte der Weg direkt wieder eine Etage tiefer. Aber: 2001 gelang schnell zurück der Sprung ins Oberhaus und die Young Boys waren zurück in der höchsten Spielklasse. Die sportlichen Leistungen stabilisierten sich, doch der zwölfte Meistertitel sollte noch lange auf sich warten lassen.
Mit über 20.000 Mitgliedern ist der Verein heute der mitgliederstärkste Fußballclub der Schweiz.
Auftakt in der malerischen Schweiz!
Zurück an die Spitze
Adi Hütter legt vor...
Mit der Installation von Ex-Profi Christopher Spycher als Sportchef begann im September 2016 die bis heute andauernde Erfolgsgeschichte. Mit dem früheren Schweizer Nationalspieler, der von 2010 bis 2014 selber für die Young Boys aktiv war, übernahm ein Mann mit Stallgeruch die sportlichen Geschicke.
Bereits damals saß Adi Hütter auf der Berner Trainerbank. Und aus dem Gespann wurde ein echtes Erfolgsduo! Führte Hütter die Gelb-Schwarzen seit September 2015 erst zweimal zur Vizemeisterschaft, gelang 2018 am fünftletzten Spieltag der ganz große Coup. Bern gewann zum 120-jährigen Vereinsjubiläum erstmals nach 32 Jahren wieder die Meisterschaft und durchbrach damit die Dominanz des FC Basel, der zuvor acht Titel in Serie einfuhr.
Danach verabschiedete sich der Übungsleiter zu Eintracht Frankfurt in die Bundesliga. Ab 2021 arbeitete Hütter zudem eine Spielzeit lang bei Borussia Mönchengladbach, wo er auf Marco Rose folgen sollte. Aktuell trainiert Hütter den AS Monaco in der Ligue 1.
... Gerardo Seoane legt nach!
Nachfolger des Österreichers in Bern wurde das inzwischen hierzulande nächste bekannte Gesicht: Gerardo Seoane. Und der Schweizer setzte den überaus erfolgreichen Weg nicht nur fort, sondern packte sogar noch einige Schippen drauf. Zwischen 2019 und 2021 feierte der heute 44-Jährige drei Titel und machte damit den Titel-Hattrick perfekt. 2020 führte er seine Mannschaft außerdem noch on top zum Pokalsieg.
Angesichts dieser Leistungen wurde Bayer Leverkusen auf den Fußballlehrer aufmerksam und holte ihn 2021 schließlich in die Bundesliga. Aktuell ist Seoane Cheftrainer von Borussia Mönchengladbach.
Ein neues Gespann
Seit Juni 2022 heißt der Sportchef Steve von Bergen, Spycher wechselte als Gesamtverantwortlicher in die Sportabteilung. Auf Ex-Schalke-Trainer David Wagner, der die Young Boys in der Runde 2021/22 immerhin zur Vizemeisterschaft führte, folgte im letzten Jahr Raphael Wicky.
Mit Erfolg: Gleich in seiner ersten Saison in der Hauptstadt fuhr der Schweizer mit Meisterschaft und Pokal das nächste Double ein. Es ist das dritte nach 1958 und 2020. Nun soll in der Champions League erstmals die K.o.-Runde erreicht werden.
Besondere Persönlichkeiten
- Torjäger Stephane Chapuisat gewann mit Borussia Dortmund bis 1999 gleich zweimal die deutsche Meisterschaft und einmal die UEFA Champions League. Nach seinem Wechsel zum Grashopper Club Zürich ging die Dortmunder Legende ab 2002 für drei Spielzeiten für Bern auf Torejagd. Mit 58 Treffern in 108 Partien hat der Schweizer Torschützenkönig von 2004 (23 Treffer) einen großen Anteil am Aufschwung der 90er-Jahre. Heute ist der 54-Jährige Chefscout der Young Boys.
- Zweimal stand Gürkan Sermeter beim Schweizer Traditionsverein unter Vertrag. Zunächst 1996 als Leihspieler für ein halbes Jahr, später von 2000 bis 2006. In der Bundesstadt wurde der Mittelfeldspieler, der zumeist auf der rechten Seite zum Einsatz kam, über Jahre hinweg zum Publikumsliebling. Seine Bilanz für die Gelb-Schwarzen: 184 Spiele, 47 Tore, 25 Assists.
- Mit der Fertigstellung des neuen Wankdorf-Stadions verpflichtete der Club 2005 einen der bekanntesten Zehner des Schweizer Fußballs. Spielmacher Hakan Yakin kehrte nach zahlreichen Stationen im Ausland, unter anderem Paris Saint-Germain, VfB Stuttgart, Galatasaray Istanbul, wieder in sein Heimatland zurück. In Bern wurde der zweifache Schweizer Fußballer des Jahres (2003, 2008) bis 2008 einer der wichtigsten Akteure. In der Saison 2007/08 hatte Yakin als bester Torjäger und Vorbereiter der Liga (24 Treffer, 18 Assists) großen Anteil an der Vizemeisterschaft.
- Ein echter Coup war die Verpflichtung von Stürmer Seydou Doumbia, der 2008 von den Kashiwa Reysol (Japan) für zwei Jahre nach Bern wechselte. In der Schweiz schoss sich der ehemalige Nationalspieler der Elfenbeinküste mit vielen Toren in die Herzen der Fans. In 79 Einsätzen landete Doumbia bei 56 Toren, hinzu kamen nochmal 21 Assists. 2009 (20 Treffer) und 2010 (30 Treffer) wurde er bester Knipser der Liga. In der Spielzeit 2008/09 traf er alle 70 Minuten und hatte damit hinter Lionel Messi den zweitbesten Schnitt in Europa. Ihm zu Ehren dichteten die Berner Fans die Hymne „Kumbaya my Lord“ in „Doumbia my Lord“ um.
- Einer der wichtigsten Transfers war auch der von Guillaume Hoarau. Der Franzose steht heute sinnbildlich für das Ende der Titel-Durststrecke. 2014 kam der Angreifer von Girondins Bordeaux aus Frankreich. In Bern kämpfte er sich nach einigen Verletzungen immer wieder zurück. In 184 Spielen traf er 118 Mal, hinzu kamen 35 Vorlagen. Mit seiner Kopfballstärke und als sicherer Elfmeterschütze war er einer der Keyplayer bei den Meisterschaften 2018 und 2019. 2019 wurde Hoarau mit 24 Toren außerdem Torschützenkönig.
Rivalität
Vor allem seit 2018 haben die Spiele gegen den FC Basel eine besondere Brisanz. Denn vor fünf Jahren entthronten die Young Boys mit dem Titelgewinn den damaligen Serienmeister, der zuvor acht Meisterschaften in Folge gewann. In der Vergangenheit drehte Bern mit fünf Meisterschaften in sechs Jahren den Spieß bekanntlich um und stieg selbst zum dominanten Team der Liga auf. Basel ist seit 2016 hingegen ohne Meistertitel.
Und auch das Derby gegen den unterklassigen FC Thun, der aktuell in der Challenge League spielt, ist ein Highlight für Fans und Spieler beider Vereine. Im Februar dieses Jahres trafen die beiden Rivalen aus dem Kanton Bern erstmals nach zweieinhalb Jahren wieder aufeinander. Der Favorit setzte sich im Pokalviertelfinale souverän mit 5:0 durch.
Die Arena
Bereits ab 1925 trugen die Young Boys ihre Spiele im legendären Wankdorf-Stadion aus. Also genau dort, wo Deutschland 1954 das WM-Finale gegen Ungarn gewann. 2001 wurde das „Alte Wankdorf“ abgerissen und bis 2005 unter dem Namen „Stade de Suisse“ wieder neu aufgebaut. Seit jenem Jahr sind die Gelb-Schwarzen dort beheimatet. 2020 wurde die 31.500 Zuschauer fassende Arena in „Stadion Wankdorf“ bzw. umgangssprachlich „Neues Wankdorf-Stadion“ umbenannt. Seit 2014 wird dort auf einem modernen Kunstrasen gespielt.
Auf dem Dach der Arena befindet sich darüber hinaus das weltweit größte stadionintegrierte Solarkraftwerk. Unter dem Spielfeld steht zudem eines der größten Einkaufszentren der Schweiz. Zum Stadion gehören unter anderem zusätzlich noch Wohnungen, Schulen, ein Fitnessstudio, Restaurants und ein Nachtclub.