"Wir wollen auch beim Thema Nachhaltigkeit in der Champions League spielen"
Das ausführliche Interview zum ersten RBL-Nachhaltigkeitsbericht | Evelyn Holderbach, Director Sustainability and International Development im Gespräch
RB Leipzig hat nach der Vorstellung der Nachhaltigkeitsstrategie „PLAY. CARE. SHARE.“ mit dem Nachhaltigkeitsbericht für 2022 nun eine erste Zwischenbilanz gezogen. Evelyn Holderbach, Director Sustainability & International Development gibt im Gespräch Einblicke in das Thema Nachhaltigkeit im Profifußball, wo der Klub in diesem Bereich steht sowie, wo es hingehen soll und welche Bedeutung das für die RBL-Fans hat.
RBL-Nachhaltigkeitsbericht
Warum hat RB Leipzig einen Nachhaltigkeitsbericht erstellt und was beinhaltet er?
"Ziel des Nachhaltigkeitsberichtes ist es, aufzuzeigen, was wir seit der Einführung des Geschäftsbereichs Sustainability und der Verabschiedung unserer Nachhaltigkeitsstrategie Anfang 2022 auf den Weg gebracht haben. Wichtig ist für uns, alle Mitarbeitenden, Fans und Partner auf unserem Weg mitzunehmen.
Dieser Bericht ist demnach ein erster Tätigkeitsnachweis, der darlegen soll, wo wir als Klub stehen und wo wir noch hinwollen. Gleichzeitig erfüllen wir mit dem Nachhaltigkeitsbericht ein DFL-Lizenz-Kriterium für die kommende Saison. Wir haben noch viel vor, wollen weiter lernen und natürlich besser werden."
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei RB Leipzig?
"Nachhaltigkeit spielt nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch bei RB Leipzig in allen Bereichen eine zentrale Rolle. Daher haben wir das wichtige Thema 2022 bewusst in die Geschäftsordnung aufgenommen. Zudem binden wir unsere Mitarbeitenden aktiv in unser Nachhaltigkeits-Engagement ein.
Wir haben 2022 zum Beispiel mit einem digitalen Infoformat, der "Crunchtime Nachhaltigkeit", und dem Ambassador-Programm zwei Formate entwickelt, die informieren und unsere Teams für Nachhaltigkeit sowie nachhaltiges Agieren sensibilisieren, aber auch relevante Kenntnisse vermitteln, um ein Umdenken aktiv anzustoßen.
Darüber hinaus halten wir die Mitarbeitenden im Rahmen unserer Town Hall Meetings und über die interne Kommunikation auf dem Laufenden und holen uns regelmäßig und proaktiv Feedback ein - ganz aktuell zum Beispiel mit Umfragen zu den Themen Mobilität und Compliance."
Wo steht der Verein im Bereich Nachhaltigkeit und wo soll es hingehen?
"Ehrlich gesagt stehen wir noch am Anfang, trotzdem sind wir stolz auf erste Erfolge. Mit der Nachhaltigkeitsstrategie und unserer Roadmap haben wir einen klaren Plan für die Zukunft. Diesen werden wir 2023 noch weiter schärfen.
Gerade im Bereich Ökologie wollen wir noch einiges anpacken. Die größten Energieverbraucher haben wir bereits identifiziert und wissen genau, wo wir ansetzen müssen. Ein langfristiges Ziel ist es, unseren CO2-Fußabdruck bis 2040 so weit wie möglich zu verringern.
Daher werden wir eine entsprechende Zielgröße und einen zugehörigen Reduktionspfad in 2023 definieren. Das Kompensieren bzw. der Ausgleich von CO2-Emissionen steht zurecht derzeit stark in der Kritik und ist auch aus unserer Sicht nicht der richtige Weg.
Erste CO2-Einsparungen konnten wir durch die Umstellung auf 100% Ökostrom in der Red Bull Arena seit Juli 2022 erreichen. Ergänzt wurde dies durch den vollständigen Wechsel auf LED-Technik. Im Stadion selbst rollt der Ball seit Dezember 2022 auf einem energie- und CO2-sparenden Hybridrasen. Mithilfe einer „Energie Task Force“ haben wir zudem unseren Stromverbrauch am Jahresende bereits um knapp 20% gesenkt.
Dabei durften wir feststellen, dass vor allem ein genauer Blick auf Prozesse und Betriebsabläufe helfen kann, Effizienzen zu erkennen. Ähnlich wollen wir beim Wasser vorgehen. Wir haben uns das Ziel gesetzt, mit dieser knappen Ressource noch sorgfältiger umzugehen, indem wir den Nutzungsanteil von Regen- und Brauchwasser erhöhen.
Ein tolles Projekt, das bereits erfolgreich umgesetzt und in 2022 finalisiert wurde, war der Austausch der Stadion-Sitzschalen unter dem Slogan „SEATainability“. Wir wollten unsere Sitze möglichst nachhaltig ersetzen und sind dabei einen eigenen Weg gegangen.
Die alten Sitzschalen haben ein zweites Leben bekommen oder wurden in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt, die Stahl-Konstruktion hingegen beibehalten. Die neuen Sitze in den RBL-Farben weisen durch ein Kooperationsprojekt nun einen 90%igen Anteil an recyceltem Kunststoff auf. Nach unserem Wissen ist das der derzeit höchstmögliche Anteil und in Europa einzigartig.
Klar ist aber auch, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben. Wie auch im sportlichen Bereich, haben wir beim Thema Nachhaltigkeit große Ambitionen und wollen dauerhaft in der Champions League spielen. Um den ersten „Titel“ geht es bereits nächstes Jahr. Wir haben das Ziel, die Red Bull Arena noch vor der Euro 2024 zu einem „Zero Waste-Stadion“ zu machen. Dabei gilt es, Abfälle bestmöglich zu vermeiden und die Recyclingquote entscheidend zu erhöhen."
Welche Projekte stehen in Zukunft an?
„Zero Waste“ ist hier ein gutes Stichwort, denn ein Teil der Maßnahmen ist die Umstellung des Abfallsystems in der Red Bull Arena. In 2022 haben wir bereits „hinter den Kulissen“ einiges geändert, jetzt geben wir zum Spiel gegen Augsburg am Sonnabend den Startschuss für ein neues Trennsystem im Public-Bereich.
Zudem wird unsere neue Geschäftsstelle bis 2025 Stück für Stück Formen annehmen. Highlight des Bauwerks ist die modulare Holzbauweise, für die rund 2500 m³ mitteleuropäisches Fichtenholz eingesetzt werden. Außerdem werden recycelter Beton und recycelte Bodenbeläge verwendet. Darüber hinaus ist eine Photovoltaik-Anlage mit fast 600 Modulen sowie eine Anlage zum Speichern und Wiederverwenden von Regen- und Brauchwasser geplant.
Außerdem beschäftigt uns die An- und Abreise aller Besucherinnen und Besucher zum Stadion, weil sie einen großen Teil unseres CO2-Fußabdrucks ausmacht – nahezu 50%. Mit der kostenlosen Nutzung des ÖPNV für Ticketinhaber am Spieltag, der Fahrradgarage und Park&Ride-Plätzen haben wir bereits erste Angebote für unsere Fans geschaffen. Wir sind uns aber bewusst, dass sich die aktuelle Situation weiter verändern muss und sind dazu im engen Austausch mit unseren Partnern und der Stadt Leipzig."
Welche Nachhaltigkeits-Aspekte betreffen konkret die Fans?
"Das sind vor allem Aspekte rund um die Red Bull Arena und die Heimspieltage. Neben der bereits erwähnten Mülltrennung und der umweltbewussten Anreise, erhalten unsere Fans ihre Tickets nur noch digital aufs Smartphone, papierlos und damit ressourcenschonend.
An den Kiosken bieten wir ein vielseitiges veganes Speisenangebot an – wahrscheinlich das umfangreichste in der Bundesliga – und haben in den letzten Monaten neue Mehrwegsysteme eingeführt.
Auch verzichten wir möglichst auf unnötige Verpackungen und optimieren weiter den Einsatz von Materialien im Cateringbereich. Auf den Toiletten wurden im Stadion wasserlose Urinale verbaut. In Kombination mit den neuen Sitzen steckt somit in ganz vielen unterschiedlichen Bereichen der Red Bull Arena ein Stückchen Nachhaltigkeit.
Neben den ökologischen gibt es auch eine Vielzahl sozialer Projekte. Die Spanne reicht hier von zahlreichen Aktionen und Kampagnen unter dem Dach „Unser Ball ist bunt“, in denen wir klar zeigen, für welche Werte RB Leipzig steht, über die Teilhabe unserer Fans bis hin zu Bildungs- und Fußballangeboten für Kinder und Jugendliche.
Zu erwähnen sind hier beispielsweise das Format „Lernort Stadion“, die Fußball AG an Schulen oder das Leipziger Viertelfinale, die wir kontinuierlich weiterentwickeln und ausbauen. Unser Ziel ist es, alle Mitarbeitenden, Partner und Fans auf unserem Weg mitzunehmen. Das ist der größte Hebel, um gemeinsam viel zu bewirken. Getreu unserer Leitidee PLAY. CARE. SHARE."