„Die Leipziger wollen ehrliche Arbeit sehen!“
RB Leipzig-Cheftrainer im Jahresend-Interview | Der RBL-Cheftrainer betont nach drei Monaten bei den Roten Bullen: „Wir wollen durch unseren Fußball Identität schaffen! Und wenn alle gesund sind, ist mit diesem Team alles möglich!“
Marco, seitdem du am 08. September Chefcoach geworden bist, hast du in 16 Spielen an der Seitenlinie gestanden, davon starke zwölf gewonnen und zwei Remis geholt. Wie fällt dein Fazit aus zu den ersten Monaten als Trainer bei RB Leipzig?
Die guten Ergebnisse haben wir alle zusammen geholt. Insgesamt fällt mein Fazit deshalb sehr positiv aus. Wir sind hier von Anfang an toll aufgenommen worden. Dann haben wir uns nach einer sehr intensiven ersten Woche mit drei Spielen, wenig Training und der folgenden Länderspielpause zusammengesetzt und uns Ziele gesteckt. Diese haben wir alle erreicht. Auch das für uns wichtigste Ziel …
Welches ist das?
Wir haben uns als Mannschaft und als Team gefunden. Und damit meine ich nicht nur die Jungs, die auf dem Platz stehen, sondern auch alle drumherum. Ich hatte das Gefühl, dass jeder in dieser hochintensiven Phase jeden Morgen gern an den Cottaweg gekommen ist und wir mit den guten Ergebnissen im Rücken auch eine positive Arbeitsatmosphäre geschaffen haben, die uns geholfen hat, eine Menge Punkte zu holen und die Ziele zu erreichen. Genau dieses Zusammenfinden ist für mich der größte Mehrwert und hier müssen wir auch wieder ansetzen.
Hast du erwartet, dass es so schnell passt und unsere Mannschaft die Art von Fußball, die du mit deinem Trainerteam spielen willst, schon nach wenigen Spielen auf den Platz bringt?
Wir haben es uns zumindest so vorgestellt und es war auch eines meiner persönlichen Ziele. Aber dazu gehören verschiedene Faktoren. Zum einen muss es grundsätzlich funktionieren, wenn ein neues Trainerteam auf eine neue Mannschaft und auf ein neues Funktionsteam trifft, das wiederum die Mannschaft schon kennt. Hier war schnell zu spüren, dass bei RB Leipzig in den vergangenen Monaten und Jahren extrem viel richtig gemacht wurde.
Wir sind auf einen sehr fleißigen und leistungsorientierten Staff und eine sehr fleißige und leistungsorientierte Mannschaft getroffen. So war uns schnell klar, was wir als Trainerteam einbringen können. Das war einfach eine gute Symbiose. Zum anderen haben wir davon profitiert, dass viele Spieler im Kader die Idee vom sogenannten aktiven Fußball schon verinnerlicht hatten. Wir mussten nur hier und da ein paar Dinge triggern und darauf aufmerksam machen. Alle haben mitgezogen und das hervorragend umgesetzt.
Welche Spiele waren für dich die Highlights dieser ersten Saisonphase?
Rein inhaltlich haben wir Anfang November beim 3:1-Sieg in Hoffenheim ein bärenstarkes Spiel gemacht, obwohl wir hier schon am Ende der intensiven Phase waren. Das war sowohl mit als auch gegen den Ball sehr gut. Wir haben extrem stabil gewirkt und sehr souverän gespielt. Und natürlich ist es auch ein Highlight, wenn man Real Madrid in der Red Bull Arena schlägt, das zuvor über Monate nicht verloren hatte. Daran denken wir schon gern zurück.
Aber jedes Spiel war wichtig – zum Beispiel auch das Pokalspiel gegen den HSV als K.o.-Spiel. Das Heimspiel gegen Celtic Glasgow, weil wir wussten, dass wir gewinnen müssen, um noch eine Chance auf das Weiterkommen in der Champions League zu haben. Auch in der Bundesliga haben wir uns große Ziele gesteckt und wollen uns immer für die Königsklasse qualifizieren. Da dürfen wie nicht allzu viel liegenlassen. Der Anspruch in Leipzig ist ein großer – dem sind wir in diesem ersten Block bis zur Winterpause gerecht geworden, aber es ist eben nur die halbe Miete. Ab dem 02. Januar müssen wir so weitermachen.
Der Anspruch in Leipzig ist ein großer – dem sind wir in diesem ersten Block bis zur Winterpause gerecht geworden, aber es ist eben nur die halbe Miete.
Einige Spieler kennst du noch aus Salzburger Zeiten, einige hast du hier kennengelernt. Gibt es Spieler, die dich überrascht haben?
Überrascht hat mich keiner, ich wusste, dass wir einen starken Kader übernehmen. Ein paar der Jungs kannte ich noch nicht und es ist immer schön, sie mit ihren Eigenschaften kennenzulernen, mit ihrer Art und Weise, wie sie ticken und vor allem wie sie spielen. Wir stehen manchmal im Training schon da und denken: Wow! Emil Forsberg, Dani Olmo, Christopher Nkunku – was für eine Aktion. Vieles, was wir erwartet haben, hat sich bestätigt. Ich habe sogar das Gefühl, mit dieser Mannschaft ist alles möglich, wenn alle gesund sind.
Das war und ist jedoch nicht so …
Leider nein. Doch wir sind so gut und breit aufgestellt, dass wir die Ausfälle bislang auffangen konnten – vor allem auch dadurch, dass andere Spieler mehr Verantwortung übernommen haben. Die Verletzungen von Christopher Nkunku, Timo Werner und von unserem Kapitän Péter Gulácsi tun uns sehr weh. . Auch Dani Olmo und Lukas Klostermann waren lange weg – das haben wir ebenfalls kompensiert und sie sogar noch zur WM gebracht. Wir hatten immer Jungs, die in die Bresche gesprungen sind. Janis Blaswich macht es zum Beispiel außergewöhnlich gut. Die Frage ist immer, wie lange die Spieler ausfallen, aber ich sehe es bei den meisten Jungs positiv. Timo und Christo sind natürlich zwei Tempo-Spieler mit einer gewissen Torgarantie – da müssen wir dann schon richtig ranklotzen, um das auffangen zu können. Aber jetzt kommen mit Konrad Laimer, Lukas Klostermann und Dani Olmo auch drei wichtige Spieler zurück.
Stell dir unsere Mannschaft vor, wenn du noch aktiver Spieler wärst. Wo würdest du dich sehen bzw. aufstellen?
Ich könnte nur von außen mit guter Laune unterstützen und im Training maximale Leistungsbereitschaft einfordern, die Jungs so auf Zack halten und Druck ausüben. Aber ich würde sicherlich nicht auf dem Platz stehen.
Wir sind so gut und breit aufgestellt, dass wir die Ausfälle bislang auffangen konnten – vor allem auch dadurch, dass andere Spieler mehr Verantwortung übernommen haben.
Wie gehst du die Winterpause an, die diesmal doch ein paar Tage länger ausfällt. Wie gestaltest du diese Woche?
Es ist nicht jeder Tag im Detail durchgetaktet, aber natürlich bereiten wir den Start ab dem 02. Januar vor. Wir müssen direkt wieder in den Betriebsmodus schalten, denn am 20. Januar geht es schon weiter gegen den FC Bayern. Deshalb gibt es immer auch einen Austausch mit den Spielern. Zum einen mit den Jungs, die bei der WM waren, zum anderen werden die verletzten Spieler auch in der Winterpause am Comeback arbeiten. So ganz weg ist man nie, aber wir werden alle die Zeit nutzen, um Spaß zu haben, an Weihnachten etwas herunterzufahren, uns um die Familie zu kümmern und ein bisschen die Seele baumeln zu lassen.
Wie feierst du Weihnachten?
Mit meiner Familie in Leipzig. Es ist eine ganz wichtige Tradition für mich, an Weihnachten mit meiner Familie zusammenzukommen. Ansonsten treffe ich mich zwischen den Jahren mit ein paar Kumpels zum Kicken. Erst Schwitzen in der Halle, dann bei einem Bierchen zusammensitzen.
Findet man dich zu Weihnachten auch in der Küche?
Ich habe das eine oder andere Mal den Auftrag bekommen, die Gans zu teilen. Das sah danach leider nicht mehr sonderlich appetitlich aus. Ansonsten bringe ich das Geschirr rein und raus.
Was war als Kind dein tollstes Weihnachtsgeschenk?
Das war von Alter zu Alter unterschiedlich. Irgendwann gab es die Carrera-Rennbahn oder das Fahrrad. Weihnachten fand ich schon immer cool.
Hast du Wünsche zu Weihnachten?
Wir in der Familie haben uns angewöhnt, maximal etwas Kleines zu schenken, die Kinder mal ausgenommen. Ansonsten ist Weihnachten ein christliches Fest. Ich glaube an Gott und wenn man etwas Ruhe hat, denkt man schon über einige Dinge nach. Geht es mir gut? Bin ich glücklich? Was macht mich glücklich? Wie geht es anderen Menschen und was macht die Welt um uns herum?
Und natürlich auch die Frage, ob du dir fürs neue Jahr etwas vornimmst?
Immer! Ihr werdet einen Marco Rose erleben, der die ersten zehn Tage des neuen Jahres morgens um 08.00 Uhr seinen Lauf macht, um dann am zehnten Tag festzustellen, dass es einfach zu viel für sein Knie und seinen Körper ist – und dann wartet er damit wieder bis zum neuen Jahr. Das ist ein klassischer Marco Rose zum Neujahrsstart.
Hast du auch Vorsätze aus sportlicher Sicht?
Es geht nun vor allem darum, was wir den Jungs mitgeben wollen, wo wir weitermachen und was wir verbessern können. Es gibt hier viele Anhaltspunkte. Und da freue ich mich drauf, weil ich weiß, dass wir noch nicht am Ende sind und noch einiges optimieren können. Wir machen viele Sachen schon sehr ordentlich, sind Dritter und die Tabelle in der Bundesliga ist eng.
Wir haben zudem in der Champions League Manchester City vor der Brust, spielen im DFB-Pokal gegen die TSG 1899 Hoffenheim. Es kommt also viel auf uns zu und wir müssen aufmerksam und gierig bleiben. Deshalb ist es wichtig, im Januar schnell wieder in einen guten Modus zu kommen, um weiter erfolgreich zu sein.
Du hast von Beginn an betont, dass du viel Respekt hast vor dem Trainerjob in deiner Heimatstadt. Spürst du nach dem guten Start eine gewisse Anerkennung für die Leistung, die auch zu einer zusätzlichen Euphorie bei unseren Fans geführt hat?
Ich nehme auf jeden Fall wahr, dass viele Menschen es wertschätzen, was wir hier in den vergangenen Monaten gemacht haben. Natürlich braucht man dazu die passenden Ergebnisse, aber wir wollen durch unseren Fußball vor allem auch Identität schaffen. Das ist uns das Wichtigste, dass sich die Leute mit uns, unseren Spielern und der Art und Weise wie wir spielen, identifizieren können. Dies habe ich im Stadion extrem gespürt. Hier ist eine Symbiose mit unseren Fans entstanden.
Die Unterstützung hat natürlich auch unseren Spielern auf dem Platz gutgetan. An dieser Verbindung werden wir im neuen Jahr weiterarbeiten. Aber ich spüre auch Wertschätzung und Respekt von Leuten, die es nicht unbedingt mit RB Leipzig halten, denn wir wissen ja, dass es in Leipzig viele Fangruppierungen gibt. Es gibt hier wenige Schulterklopfer, sondern einfach viel ehrliches Feedback aus allen Richtungen.
Bestärkt dich das in der eigenen Arbeit?
Diese Wertschätzung sollte ein Riesen-Antrieb für uns alle sein. Denn neben den sportlichen Zielen gehört es im Fußball auf diesem Niveau auch immer dazu, so zu spielen, dass die Leute Bock darauf haben und sich damit identifizieren können. Und für uns geht es auch darum, nach und nach noch mehr Identifikation zu schaffen und die Menschen hier in der Region weiter für uns zu gewinnen.
Wie siehst du als Leipziger unsere Stadt?
Leipzig ist eine tolle Stadt mit viel Flair und vor allem nicht überkandidelt. Hier geht es nicht darum zu zeigen, was man hat. Die Menschen möchten ehrliche Arbeit sehen, Spaß haben und für etwas stehen.
Max Eberl hat im Dezember als Geschäftsführer Sport bei RB Leipzig begonnen. Du kennst ihn bereits aus zwei gemeinsamen Jahren in Mönchengladbach. Kannst du Max kurz beschreiben?
Ich weiß natürlich, wie Max menschlich tickt und inhaltlich arbeitet – und darauf freue ich mich sehr. Die Leute können einen guten Typen erwarten, der ein absoluter Menschenfreund ist und auf die Leute zugeht. Max hat eine klare Idee, einen klaren Plan und setzt diesen auch um. Er passt perfekt hierher, weil er genau für die eben erwähnte Mentalität steht. Deshalb wird Max RB Leipzig voranbringen können.
Das ist uns das Wichtigste, dass sich die Leute mit uns, unseren Spielern und der Art und Weise wie wir spielen, identifizieren können. Dies habe ich im Stadion extrem gespürt. Hier ist eine Symbiose mit unseren Fans entstanden.